Wohnpark „Albert Schweitzer“, Magdeburg

 

Speisepläne gesünder und nachhaltiger gestalten

Mehr Vollkornprodukte und Gemüse, weniger Fleisch und Fertigprodukte: So sehen die Speisepläne im Magdeburger Wohnpark „Albert Schweitzer“ inzwischen aus. Mit dem Ziel, die Gesundheit der Bewohner*innen zu fördern und nachhaltiger zu agieren, haben Küchenleiter Christian Hess und sein Team das Verpflegungsangebot auf Basis des DGE-Qualitätsstandards schrittweise angepasst. Unterstützt wurden sie dabei von der Vernetzungsstelle für Seniorenernährung Sachsen-Anhalt. Wir führten zu diesem Prozess ein Interview mit Herrn Hess.

 

 

Was war Ihre Motivation/ der Anlass, den Speiseplan Ihrer Einrichtung gesünder und nachhaltiger zu gestalten?   

Unsere Motivation und der Anlass gehen zurück auf das Jahr 2020, als wir einen Flyer der Vernetzungsstelle für Seniorenernährung Sachsen-Anhalt erhielten. Der Flyer enthielt Informationen über den „DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung mit ‚Essen auf Rädern‘ und in Senioreneinrichtungen“ und suchte nach Teilnehmenden, die interessiert daran waren, ihr Speiseangebot auf seiner Grundlage zu verbessern.

„Obwohl wir bereits vorher (…) ein sehr gutes Angebot hatten, erkannte ich das Potenzial zur weiteren Verbesserung.“

Aufgrund dieser Initiative kam die Geschäftsstelle der Lewida GmbH auf mich zu und fragte, ob wir gemeinsam an diesem Projekt arbeiten möchten. Obwohl wir bereits vorher – meiner Meinung nach – ein sehr gutes Angebot hatten, erkannte ich das Potenzial zur weiteren Verbesserung. Durch die Teilnahme am Projekt konnten wir unseren Speiseplan nicht nur gesünder, sondern auch nachhaltiger gestalten, was sowohl unserer Einrichtung als auch den Bewohner*innen zugutekommt.

 

Was waren die ersten Schritte auf dem Weg dorthin, wen haben Sie dabei einbezogen?

Unsere ersten Schritte auf dem Weg zur Gestaltung eines gesünderen und nachhaltigeren Speiseplans waren umfassend:

Ausfüllen der Checkliste: Der erste Schritt bestand darin, die Checkliste zum DGE-Qualitätsstandard auszufüllen, um unseren aktuellen Stand zu ermitteln.

Analyse des Speiseplans: Parallel dazu führten wir eine detaillierte Analyse unseres Speiseplans nach den Kriterien des DGE-Qualitätsstandards durch. Die Vernetzungsstelle für Seniorenernährung half uns dabei und machte konkrete Änderungsvorschläge.

Gründung eines Arbeitskreises: Ein wichtiger Schritt war die Gründung eines Arbeitskreises, der aus verschiedenen Mitgliedern bestand: Aus mir als Küchenleiter, einer Mitarbeiterin des Qualitätsmanagements, einem Mitarbeiter der Vernetzungsstelle für Seniorenernährung, einer Mitarbeiterin aus dem Präsenzbereich, einem Bewohner aus dem Heimbeirat sowie einer Mieterin der Wohnanlage. Diese Gruppe diente nicht nur als Entscheidungsgremium, sondern auch als Kommunikationsschnittstelle zu den Bewohner*innen und als Vermittlerin von Feedback und Kritik.

Umsetzung der Änderungsvorschläge: Anschließend begannen wir mit der praktischen Umsetzung. Das beinhaltete die Anpassung des Speiseplans gemäß den Anregungen der Vernetzungsstelle, die Integration neuer und Anpassung bestehender Rezepte, wobei wir darauf achteten, beliebte klassische Gerichte zu bewahren, diese aber gesundheitsfördernder umzugestalten sowie die Anpassung der Arbeitsprozesse in der Küche, um die Kriterien des DGE-Qualitätsstandards effizient umzusetzen.

Fortlaufende Anpassungen: Der Prozess war iterativ, d. h. wir nahmen fortlaufend Anpassungen vor, basierend auf Feedback und weiteren Analysen, um sicherzustellen, dass der Speiseplan kontinuierlich verbessert wurde.

„Der Prozess war iterativ, d. h. wir nahmen fortlaufend Anpassungen vor (…).“

 

Was haben Sie im Speiseplan ganz konkret geändert?

Wir haben folgende konkrete Änderungen vorgenommen:

Erhöhung des Vollkorn- und Nussanteils: Einführung von mehr Vollkornprodukten, z. B. Vollkornnudeln und Vollkornbrote, Vollkorndinkelprodukte; Verwendung von Vollkornmehl und gemahlenen Mandeln in Rezepten wie Eierkuchen.

Reduktion verarbeiteter Lebensmittel: Eigene Herstellung von Speisen wie Roter Grütze aus frischem Obst; Fischfrikadellen mit hohem Eiweiß- und Gemüseanteil.

Integration von mehr Gemüse, Rohkost und Salaten: Erhöhung des Anteils an frischem Gemüse und Rohkost im täglichen Speiseplan; mehr Salate als Beilagen und Hauptgerichte.

Reduktion des Zuckeranteils in Desserts und Kuchen: Anpassung der Kuchenrezepte, um den Zuckeranteil zu reduzieren und mehr gemahlene Nüsse zu verwenden; Backen in der Küche sechs Tage die Woche, um frische, gesündere Alternativen anzubieten.

Erhöhung des Angebots an vegetarischen Gerichten und Hülsenfrüchten: Einführung von mehr vegetarischen Optionen auf dem Speiseplan; deutliche Reduktion von Fleischgerichten.

Erhöhung des Fischangebots: Möglichkeit für Bewohner*innen, zweimal die Woche Fisch zum Mittagessen zu wählen.

 

Wie haben die Bewohner*innen auf diese Veränderungen reagiert?

Es gab positive wie negative Rückmeldungen: Einige Angehörige fanden es bemerkenswert, wie viel Mühe und Energie in die Verpflegung der Bewohner*innen investiert wird. Sie schätzten es, dass sich so viele Gedanken um die Mahlzeiten gemacht werden. Die Bewohner*innen freuten sich über die neuen Frühstücksbrei-Angebote: Statt warmem Pudding gab es nun Haferflockenbrei, Hirsebrei, Dinkelbrei und Vollkorngrieß, alles püriert, sodass es für alle Bewohner*innen geeignet ist. Die Auswahl an vegetarischen Gerichten wurde ebenfalls erweitert und von einigen Bewohnern positiv aufgenommen.

„Die Bewohner*innen freuten sich über die neuen Frühstücksbrei-Angebote (…).“

Viele Bewohner*innen waren aber auch unzufrieden mit den angepassten Gerichten. Beschwerden reichten von „Wir wollen keine Vollkornnudeln" bis hin zu „Die Desserts schmecken nicht mehr so süß". Auch Mitarbeitende und Angehörige äußerten Bedenken und Unzufriedenheit, z. B. dass die Bewohner*innen auf „Diät" gesetzt würden oder dass es zu wenig Fleisch gäbe. Es gab zudem unterschiedliche Reaktionen in verschiedenen Wohnparks: In ländlichen Gebieten gab es andere Reaktionen als in städtischen. Die Vorlieben und Gewohnheiten der Bewohner*innen waren hier deutlich unterschiedlich, was die Umstellung erschwerte. Trotz dieser Herausforderungen war es mir wichtig, die Umstellung durchzuführen, um die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Bewohner*innen langfristig zu fördern.

„Auch Mitarbeitende und Angehörige äußerten Bedenken und Unzufriedenheit, z. B. dass die Bewohner*innen auf ‚Diät‘ gesetzt würden (…).“

 

Inwiefern hat Sie dabei der DGE-Qualitätsstandard unterstützt?

Der DGE-Qualitätsstandard hat uns in mehrfacher Hinsicht unterstützt:

Struktur und Orientierung: Er bietet eine klare Struktur und Orientierung für die Gestaltung eines gesunden und nachhaltigen Speiseplans. Durch die detaillierten Kriterien konnte ich systematisch und zielgerichtet vorgehen.

DGE-Zertifizierung: Mein Ziel ist es, unser Speiseangebot nach dem DGE-Qualitätsstandard zertifizieren zu lassen. Dies hat mich motiviert, Punkt für Punkt die Anforderungen umzusetzen und kontinuierlich Verbesserungen vorzunehmen.

Ideen und Inspiration: Der DGE-Qualitätsstandard lieferte mir viele Anregungen und Ideen, wie ich unser Angebot gesünder und nachhaltiger gestalten kann. Obwohl es nicht immer einfach war, diese umzusetzen, haben ich dadurch dennoch wertvolle Impulse erhalten.

Trotz der Unterstützung durch den DGE-Qualitätsstandard gab es jedoch auch Herausforderungen, die meine Arbeit erschwerten: Die Pandemie brachte erhebliche logistische und personelle Schwierigkeiten mit sich, die die Umsetzung des DGE-Qualitätsstandards verzögerten. Engpässe bei der Verfügbarkeit von Lebensmitteln und extreme Preissteigerungen machten es schwierig, die geplanten Änderungen durchzuführen. Krankheitsbedingte Ausfälle und allgemeiner Personalmangel beeinträchtigten die Kontinuität und Effizienz unserer Umstellungen.
Diese Faktoren bremsten und erschwerten meine Arbeit erheblich. Dennoch blieb der DGE-Qualitätsstandard ein wertvolles Instrument, das uns half, trotz der Widrigkeiten unser Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und kontinuierlich an der Verbesserung unseres Speiseplans zu arbeiten.

„Die Pandemie brachte erhebliche logistische und personelle Schwierigkeiten mit sich (...).“

 

Bei wem mussten Sie zu Beginn und im Laufe des Prozesses Überzeugungsarbeit leisten?

Mitarbeitende aus der Küche: Deren Überzeugung war relativ einfach, da sie mich kannten und bereits viel geleistet hatten. Uns war schon vorher wichtig, z. B. selbst zu kochen und kaum mit Convenience-Produkten zu arbeiten.

Mitarbeitende allgemein: Hier war die Herausforderung, dass einige Mitarbeitende Bedenken hatten, dass die Bewohner*innen auf Diät gesetzt würden. Dank der Schulungen und Aufklärung durch die Vernetzungsstelle konnten wir diese Missverständnisse ausräumen. Die Mitarbeitenden wurden über die gesundheitlichen Vorteile und die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung informiert.

Bewohner*innen: Viele Bewohner*innen waren skeptisch gegenüber den Veränderungen und mochten einige der angepassten Gerichte nicht. Wir führten daraufhin viele Gespräche mit ihnen, um ihre Bedenken zu hören und ihnen die Vorteile der neuen Speisepläne zu erklären. Dabei passten wir einige Gerichte nach ihren Rückmeldungen an. Unser oberstes Ziel blieb, dass sich die Bewohner*innen wohlfühlen und das Essen ihnen schmeckt.

Angehörige äußerten anfangs Kritik und waren besorgt über die Veränderungen im Speiseplan. Daraufhin organisierten wir einen Angehörigenabend, um direkt mit ihnen zu sprechen. Gemeinsam mit der Vernetzungsstelle für Seniorenernährung führten wir dabei eine Verkostung durch. Wir boten Gerichte wie etwa Rote Grütze (s. Foto) aus dem alten und dem angepassten Speiseplan an, um den Unterschied zu demonstrieren.

 

 

Wie und mit welchen Argumenten haben Sie diese Personen schließlich überzeugen können?

Gesundheitliche Vorteile: Wir betonten die gesundheitlichen Vorteile der angepassten Speisepläne, wie die Reduktion von Zucker und die Erhöhung des Vollkornanteils.

Qualität der Speisen: Durch die eigene Herstellung von Speisen und die Verwendung frischer Zutaten konnte die Qualität der Gerichte verbessert werden.

Geschmack: Durch die Verkostung konnten Angehörige und Bewohner*innen direkt erleben, dass die angepassten Gerichte ebenso gut, wenn nicht sogar besser schmecken als die alten.

Dialog und Anpassung: Wir zeigten Offenheit für Feedback und passten den Speiseplan kontinuierlich an die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner*innen an. Die Verkostung war ein entscheidender Moment. Die Begeisterung war groß und wir erhielten viel Lob für unsere Arbeit. Dies zeigte uns, dass unsere Bemühungen geschätzt wurden und wir auf dem richtigen Weg waren.

„Die Verkostung war ein entscheidender Moment.“

 

 

Welchen Tipp würden Sie anderen Kolleg*innen geben, die ihre Verpflegung ebenfalls gesünder und nachhaltiger gestalten möchten?

Hier sind meine Tipps für andere Einrichtungen und Kolleg*innen, die ihre Verpflegung gesünder und nachhaltiger gestalten möchten:

  1. Haltet durch und nehmt euch Zeit: Veränderungen brauchen Zeit, besonders in einer Gemeinschaft. Es ist wichtig, geduldig zu sein und den Bewohner*innen Zeit zu geben, sich an die veränderten Speisepläne zu gewöhnen.
  2. Macht nicht zu viele große Veränderungen auf einmal: Ein schrittweiser Ansatz ist oft erfolgreicher und weniger überwältigend für alle Beteiligten.
  3. Redet viel mit den Bewohner*innen, Mitarbeitenden und Angehörigen: Hört auf ihre Bedenken und Wünsche. Durch kontinuierlichen Dialog könnt ihr wertvolles Feedback erhalten und Anpassungen vornehmen, die allen zugutekommen.
  4. Seid mit Leidenschaft und Engagement dabei: Zeigt, dass euch das Wohl der Bewohner*innen am Herzen liegt. Eure Begeisterung kann ansteckend sein und andere motivieren, sich auf die Veränderungen einzulassen.
  5. Nehmt Kritik nicht persönlich, sondern als Chance zur Verbesserung: Jede Rückmeldung kann euch helfen, neue Wege zu finden und den Speiseplan weiter zu optimieren.
  6. Nutzt die Unterstützung und das Wissen von externen Expert*innen, wie z. B. der DGE, den bundesweiten Vernetzungsstellen Seniorenernährung oder ähnlichen Organisationen. Schulungen und Beratung können helfen, Missverständnisse auszuräumen und die Akzeptanz zu erhöhen.

„Ein schrittweiser Ansatz ist oft erfolgreicher und weniger überwältigend für alle Beteiligten.“

 

Sie haben noch Fragen zum Umstellungsprozess von Christian Hess und seinem Team? Dann wenden Sie gern an den folgenden Kontakt:

Wohnpark „Albert Schweitzer“
Johannes-R.-Becher-Str. 41
39128 Magdeburg
www.lewida.de
E-Mail: wpas(at)lewida.de
Telefon: 0391 / 289620